Schroeter, Jan by Freundschaftsdienste

Schroeter, Jan by Freundschaftsdienste

Autor:Freundschaftsdienste
Die sprache: deu
Format: mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


11.

Ich trat neben Achim, dicht ans Fenster. Entlang der Auffahrt brannten alle paar Meter Laternen. Ansonsten war das große, parkähnlich angelegte Grundstück des Pflegeheims unbeleuchtet – nach Einbruch der Dunkelheit gingen selbst diejenigen Hausbewohner, die noch auf eigenen Beinen gehen konnten, nicht mehr draußen spazieren. Falls der große Unbekannte dort irgendwo zwischen den Büschen steckte, konnte ich ihn nicht sichten.

Neben mir spähte Swantje hinaus. »Was war denn so verdächtig?«, wandte sie sich jetzt an den Hausmeister.

»Als Tom vorhin gekommen ist, haben wir uns noch hier in der Halle unterhalten«, antwortete Achim, ohne den Blick vom Fenster zu lösen. »Dann ist er in den ersten Stock gestiegen, und ich bin auch zur Treppe hin, weil …« Etwas brachte ihn aus dem Konzept, er stockte, wandte sich vom Fenster ab und sah mich hilflos an. Mir fiel das Pornomagazin ein, das er mir nachgeworfen hatte – bestimmt hatte er es sich wiedergeholt, aber vor Swantje war es ihm natürlich peinlich, solche Lektüre zu erwähnen.

»… weil da noch deine Werkzeugkiste stand?«, half ich ihm auf die Sprünge.

Er nahm den Faden dankbar auf. »Genau. Ich hol’ mir die Kiste an der Treppe, drehe mich um und da steht er! Draußen vor der Tür, die Nase plattgedrückt an der Scheibe und glotzt hier rein – genau nach oben in die Richtung, wohin du, Tom, gerade verschwindest.«

»Ein verirrter Spaziergänger?«

Achim schüttelte den Kopf. »Der wollte genau sehen, wo du hingehst. Dann kriegt er plötzlich spitz, dass ich ihn entdeckt hab’ und zu ihm hin will. Da haut er ab.«

»Auch gut«, versuchte ich die Sache kleinzureden, »dann ist er ja weg.«

»Glaub’ ich nicht. Ich hab’ nämlich gesehen, wie er erst die Einfahrt runtergerannt ist, aber dann noch vor dem Tor ab nach links in die Büsche. Und seitdem gucke ich aus dem Fenster – ist aber noch keiner aus dem Park raus und durchs Tor abgehauen. Also ist er wohl noch da …«

Um den Park herum gab es einen ziemlich hohen Zaun, damit die Demenzkranken nicht verloren gingen. Wenn Achim alles richtig beobachtet hatte, befände sich der Unbekannte wohl tatsächlich noch auf dem Gelände des Pflegeheims. Swantje musterte mich besorgt. Hätte ich mir nicht gleichzeitig selbst Sorgen über mich machen müssen, wäre ihr Mitgefühl Balsam fürs Gemüt gewesen.

Achims Blick zeugte eher von Neugier. »Wem bist du auf die Füße getreten, Tom? Eifersüchtiger Ehemann?«

Ich zuckte mit den Achseln. »Vielleicht meint der ja gar nicht mich. Bist du verheiratet oder so etwas, Swantje?«

»Weder noch.«

Ich zwinkerte ihr frech zu. »Dann hätten wir das ja auch geklärt.«

Darauf ging sie nicht weiter ein, sondern wandte sich an den Hausmeister: »Wie sah der Mann aus?«

Jetzt war Achim dran mit Achselzucken. »War schlecht zu sehen. Nicht ganz klein … nicht ganz dünn, keine Ahnung. Ging alles zu schnell.«

Ich merkte plötzlich, wie meine Besorgnis einem ganz anderen Gefühl wich: Schwere Genervtheit darüber, was neuerdings alles mein Dasein durcheinanderwirbelte. Ohne dass ich überblickte, was da eigentlich abging. Ich sehnte mich danach, endlich hinter mir eine Tür zu schließen und in Ruhe gelassen zu werden. Wenigstens für ein paar Stunden.



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